Zwischen den Orten Theiß, Stratzdorf und Schlickendorf wird seit 2010 der Wirtschaftspark Krems-Gedersdorf (KG Theiß) kontinuierlich entwickelt. Im Zuge dessen kam es zu umfangreichen archäologischen Arbeiten. Das Areal liegt am westlichen Rand des Tullnerfelds, ca. 8 km östlich von Krems. Das Sedimentbecken wird im Norden durch den Wagram begrenzt; im Süden fällt das Gelände über den Niederwagram zum Donaufeld hin ab. Der Kamp mündet nicht weit entfernt in die Donau.
Im Zuge der Errichtung und Erweiterung des Wirtschaftsparks Krems-Gedersdorf wurde zwischen 2010 und 2018 eine Fläche von insgesamt ca. 40.000 m² durch den Verein ASINOE und seit 2018 durch die ASINOE GmbH archäologisch untersucht. Seit Dezember 2020 wurde in mehreren Abschnitten eine weitere Fläche von insgesamt 42.000 m² archäologisch bearbeitet (Abb.1). Sie schließt östlich und südlich an die zuvor untersuchten Flächen an. Auf nahezu der gesamten Grabungsfläche befanden sich archäologische Befunde, im Wesentlichen handelt es sich um typische Siedlungsbefunde einer umfangreichen polykulturellen Siedlung. Von Nordwest nach Südost lässt sich eine Verschiebung der Befunddichte beobachten. Weder im Osten noch im Süden kann man von einem Ende der Besiedlung ausgehen.
Die ältesten Befunde stammen aus der späten Mittelbronzezeit und sind teilweise bereits an den Übergang zur Urnenfelderkultur zu datieren. Es handelt sich meist um einfache Gruben. Das keramische Fundmaterial ist durch orangetonige Vorratsgefäße mit senkrechter Fingerstrichverzierung an Hals, Schulter und Bauch geprägt; aber auch geglättete Feinkeramik ist vorhanden. Herausragend ist die Hälfte eines steinernen Gussmodels.
Sehr markant sind die hallstattzeitlichen Siedlungsbefunde: Es handelt sich überwiegend um tiefe rechteckige Grubenhäuser bzw. Keller. Bisher wurden mehr als 50 dieser Objekte dokumentiert. Nur selten wurden (tragende) Pfostenstellungen innerhalb der Gruben oder in nächster Nähe beobachtet. Das hallstattzeitliche Fundmaterial ist umfangreich und vielfältig. Neben einfacher Gebrauchskeramik wurde ein großer Bestand an Feinkeramik geborgen. Das Formenspektrum beinhaltet Kegelhalsgefäße, verschiedene Schalen und Schüsseln sowie Kragenrandgefäße. Ebenfalls in großer Anzahl vorhanden sind typisch reliefverzierte Gefäße der Kalenderberggruppe. Neben dem keramischen Fundmaterial wurden zahlreiche Webgewichte und Spinnwirtel geborgen, die für eine intensive Textilproduktion sprechen. Hervorzuheben ist die beachtliche Anzahl an Geweih- und Knochenartefakten wie etwa Pfrieme, eine Büchse und mehrere Geweihhämmer. Unter den wenigen Metallfunden befinden sich eine Mehrkopfnadel und eine Rollenkopfnadel aus Buntmetall. Singulär ist der Fund einer noch funktionsfähigen Tonrassel mit schwarzer geometrischer Bemalung (Abb.2).
Der latènezeitlichen Siedlungsphase sind sechs langrechteckige Grubenhäuser mit zwei innen liegenden Pfosten und Fußboden zuordnen. Hinzu kommen vereinzelte Pfosten und kleinere Gruben. Das Fundmaterial ist durch Grafittonkeramik mit Kammstrich geprägt; hinzu kommt brauntonige Feinkeramik. Aus Tonscherben recycelte Spinnwirtel sind typisch für diese Zeitstellung und mehrfach im Fundmaterial vertreten.
Charakteristisch für die kaiserzeitliche Siedlung sind Sechspfostenbauten mit leicht ausgestellten tiefen Firstpfosten. Es wurden ca. 60 dieser Objekte freigelegt. Sie wiesen einen Stampflehmboden auf, in den zahlreiche Stecken, bis zu 200 in einem Haus, zu finden waren. Nur in einem Fall wurde eine zentrale Feuerstelle nachgewiesen. Hinzu kommen sehr wenige Grubenhäuser mit Pfostenstellungen im Inneren. Des Weiteren ließen sich auch Pfostenständerbauten dokumentieren. Häufig sind Speichergruben, die unterschiedliche Wandverläufe – gerade bis eingezogen – aufweisen (Abb. 3 und 4). Singulär ist ein Brunnen (Obj. 24): Die Baugrube wies oben eine runde Form (Dm. 5 m) auf, im unteren Bereich konnte man noch das Negativ eines rechteckigen Brunnenkastens dokumentieren. Der Brunnenschacht war insgesamt 4,2 m tief. Obwohl in dieser Tiefe das Grundwasser erreicht wurde, war kein organisches Material mehr erhalten. Das keramische Fundmaterial ist abwechslungsreich und rangiert von einfacher Grobkeramik bis zu schwarzer, spiegelnd glatt polierter Feinkeramik. Des Weiteren wurden zahlreiche Knochenartefakte geborgen. Hervorzuheben sind eine verzierte Knochennadel und mehrere Dreilagenkämme. Unter den Kleinfunden befinden sich zahlreiche Spinnwirtel, ein Hakenschlüssel, mehrere Eisennägel und andere Metallobjekte. Herausragend ist eine kleine Buntmetallfibel aus der Verfüllung eines Sechspfostenbaus (Obj. 82). Häufig sind auch römische Importstücke.
Die Spätantike bzw. Völkerwanderungszeit ist ebenfalls am Fundort vertreten. Bisher wurden zumindest drei leicht eingetiefte Häuser mit Eckpfosten bzw. Pfosten entlang der Schmalseiten sowie zahlreiche Speichergruben dokumentiert, in denen völkerwanderungszeitliches bzw. spätantikes Fundmaterial geborgen wurde. Charakteristisch und zahlreich vertreten sind Reibschalen mit grüner Glasur in unterschiedlichen Formen. Weiters fand man auch einglättverzierte Ware sowie Gefäße mit gekerbtem Rand. Herausragend ist der Fund einer Stabwaage.
Wahrscheinlich dem gleichen Zeithorizont zuzuordnen ist eine kleine Gräbergruppe, die aus acht Körpergräbern bestand. Als Beigaben sind u. a. ein Paar Bügelfibeln mit halbrunder Kopfplatte, drei Knubben und schwalbenschwanzförmigem Fuß, mehrere Schläfen- bzw. Ohrringe, ein Dreilagenkamm und diverse Perlen zu nennen. Der Schädel eines Kleinkinds wies eine künstliche Deformation auf.
Zu den jüngsten Befunden der Grabung gehören wenige frühmittelalterliche Grubenhäuser. Eines war leicht eingetieft, wies einen Stampflehmboden, zahlreiche Stecken im Inneren, einen Ofen in der Nordostecke und eine Ausbuchtung an der Westseite auf. Aus der Verfüllung wurden Scherben mehrerer Keramiktöpfe geborgen. Sie weisen Kammstrich, Wellen- und Linienbandverzierungen auf.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Fundstelle im Gewerbepark Krems-Gedersdorf (KG Theiß) allein aufgrund der Größe der bisher ergrabenen Fläche und der dabei vorgefundenen Befundquantität und -qualität als außergewöhnlich anzusprechen ist. Sowohl die hallstattzeitliche Siedlung als auch die kaiserzeitliche Siedlung haben ein beachtliches Ausmaß. Bei der letztgenannten handelt es sich wohl um eine der größten archäologisch untersuchten Siedlungen dieser Zeitstellung in Österreich. Die umfangreichen dokumentierten Siedlungsstrukturen und das vielfältige Fundmaterial der einzelnen Epochen geben spannende Einblicke in die jeweilige Lebenswelt.
Autorin: Judith Benedix