Auf einem ehemaligen Parkplatz in der Mühlbachgasse 8-12 in Krems an der Donau wird auf einer Fläche von rund 3000 m² eine Wohnhausanlage mit Tiefgarage errichtet. Aufgrund der Lage des Grundstückes direkt südlich der mittelalterlichen Stadtmauer waren Befunde der mittelalterlichen und neuzeitlichen Vorstadt zu erwarten. Von Juni 2022 bis April 2023 wurde in enger Abstimmung mit dem Baugeschehen die Fläche von einem Team der ASINOE GmbH bearbeitet. Dabei wurden Befunde der jüngsten Zeitgeschichte bis ins hohe Mittelalter freigelegt.
Bombeneinschlagtrichter und Entsorgungsgruben aus dem 20. Jahrhundert enthielten neben Bauschutt und Hausrat zahlreiche Relikte des Zweiten Weltkrieges Krieges wie Helme, Gasmasken, Waffen und sonstige Gegenstände wie das Schild des ehemaligen „Kindergartens des NSV“, der sich auf dem Gelände befand. Verkohlte Bücher dokumentierten der Entsorgungsvorgang der Nazi-Relikte sehr eindrucksvoll.
Auf der gesamten Fläche kamen Baustrukturen der neuzeitlichen Verbauung zutage. Einerseits handelte es sich um Gebäude, die direkt südlich des Mühlbaches standen. Andererseits konnte die Parzellierung der anschließenden Gartenflächen mit Nord-Süd laufenden Parzellenmauern, deren Verläufe sich mit jenen auf dem Franziszeischen Kataster aus dem 19. Jahrhundert decken, erfasst werden. Zu dieser Zeitstellung gehörten zudem zwei Brunnen. Frühneuzeitlich datieren wohl Keller aus Bruchsteinmauerwerk, die Eingänge mit Treppenabgängen aufwiesen.
Nachdem die Bearbeitung dieser Baubefunde abgeschlossen war, wurden Planierungen und Schwemmsande maschinell abgetragen und die Nutzung der Fläche zeigte sich grundlegend verändert. In der Mitte des Areals wurde auf der gesamten Breite von rund 65 m ein Ost-West laufender Spitzgraben vorgefunden, der bis zu 9 m breit und rund 2,50 m tief erhalten war. Der Graben war im Westen bis ca. zur Mitte der Grabungsfläche mit Brandschutt verfüllt, der neben verbrannten Ziegeln und Holzkohle so viele Tierknochen, Metall- und Glasfragmente sowie Keramik des 17. Jahrhunderts enthielt, dass von einem Massenfund gesprochen werden muss. Der Graben lag rund 10 Meter südlich einer spätmittelalterlichen Bruchsteinmauer, die ebenfalls als Teil der Stadtbefestigung anzusehen ist (Abb. 1). Da bereits die noch bestehende Stadtmauer, die teilweise in das beginnende 14. Jahrhundert gesetzt werden kann, sowie eine rund 3 m südlich davon bei einer Baubegleitung 2022 aufgetretene mittelalterliche Zwingermauer bekannt sind, ist diese Mauer wohl als Kontermauer anzusprechen.
Rund 5 Meter südlich des Grabens wurde eine weitere langschmale, über die gesamte Breite des Areals, Ost-West verlaufende Verfüllung vorgefunden, die wohl zu einem im Spätmittelalter verlandeten Bachlauf gehörte. Dieser führte direkt an einer Zone mit spätmittelalterlichen, aus Bruchsteinen errichteten Gebäuden vorbei, die durch eine Einfassungsmauer nach Norden hin gegen den Bachlauf abgegrenzt war. Das größere Gebäude (ca. 12 x 9 m) war rund 1 m aufgehend erhalten. Sein Bruchsteinmauerwerk enthielt stellenweise Steinquader und Opus spicatum, zeigte innen und außen Reste von Kalkputz und besaß einen Mittelpfeiler. Außerdem wurden mit Holzwänden abgeteilte Räume und die verkohlten Reste eines Fußbodens (Abb. 2) dokumentiert. Vorläufig kann das Gebäude wohl um 1300 datiert werden.
Westlich daneben befand sich ein weiteres, kleineres Gebäude (8,30 x min. 4,50 m), das nicht vollständig erfasst werden konnte, aber durch das Vorhandensein eines Herdfundamentes und eines Mörsers als Küche anzusprechen ist (Abb. 3). Ein drittes Steingebäude war nur noch in den Ausrissgruben seiner Fundamentmauern erhalten. Zu diesem Ensemble gehörten zwei gemauerte Brunnen, eine rechteckige gemauerte Grube (Latrine? Abfallgrube?) und mehrere Fassgruben. Aus den Gruben konnten zahlreiche Ganzgefäße des 14. Jahrhunderts geborgen werden. Zudem kamen herausragende figürliche keramische Fundstücke, wie ein Reiterfigürchen, eine weibliche Tonfigur mit Zöpfen und ein Aquamanilebruchstück in Pferdeform, zu Tage. Birnenförmige Öfen mit Schürkanal, Gruben und Pfostenstellungen gehören ebenfalls in diese Zeitstellung. Eine wirtschaftliche Nutzung dieser Gebäude scheint naheliegend.
Die spätmittelalterlichen Gebäude überlagerten eine ältere Verbauung des Hochmittelalters (13. Jahrhundert). Herausragend dabei waren mehrere als Holzschwellbalkenbauten mit Steinfundament errichtete Gebäude, die mit Lehmfußböden ausgestattet waren und Feuerstellen aufwiesen, die mit Flusssteinen oder Keramikfragmenten eingefasst waren (Abb. 4). In das Hochmittelalter datiert auch eine große Anzahl an Erdbefunden, zu der weitere eingetiefte Öfen und zahlreiche Gruben gehören. Eine zusammengehörende Pfosten-Gräbchen-Struktur gehört wohl zu einer Benutzungsphase, die noch vor der Errichtung der Holzbauten anzusetzen ist. Eine nähere zeitliche Einordnung ist jedoch erst nach ausführlicher Fundauswertung möglich.
Die komplexe Siedlungstätigkeit der mittelalterlichen Vorstadt in der Mühlbachgasse begann folglich bereits vor dem 13. Jahrhundert und damit auch vor der Errichtung der Stadtmauer im frühen 14. Jahrhundert. Die Funktion der qualitätvollen Steingebäuden außerhalb der Stadtmauer wird noch Gegenstand der Forschung sein. Ebenfalls die zeitliche Einordnung des mittelalterlichen Siedlungsbeginns zwischen Mühlbach und Donauufer.
Autorinnen: Ute Scholz, Katharina Zimmermann